Der Beruf "Lebens- und Sozialberatung" ist aktuell höchst gefährdet!
Der Fachgruppenobmann Andreas Herz arbeitet unter größtmöglicher Geheimhaltung an einer neuen Ausbildungsverordnung. Diese soll bereits mehrfach überarbeitet bei dem zuständigen Wirtschaftsministerium liegen. Zu keinem Zeitpunkt hat Herr Herz es für Wert befunden, mit den Betroffenen (Aktive LSB, AusbildungskandidatInnen, Ausbildunginstituten, Trainerinnen und Trainern usw.) hier im Vorfeld Gespräche zu führen. Im Gegenteil, es wurde alles unternommen, um keinerlei Informationen vorab nach außen dringen zu lassen.
Ziel der Änderung laut Herrn Herz: Etablierung der LSB auf Stufe 6 des NQR nach Vorbild des "Schweizer Modells"
Was bedeutet das tatsächlich?
- Deutliche Verlängerung und Verteuerung der Ausbildung
- Ähnliche Ausbildungskosten wie jetzt in der Psychotherapie
- "Staatliche Prüfung" statt ordentlicher Ausbildung
- Mittelfristig deutliche Einschränkungen von "alten" LSB
- Mittelfristig Akademisierung der LSB
Was bedeutet die Stufe 6 im NQR?
Herr Herz möchte nach seinen Angaben, die jetzt erstmals - zumindest ansatzweise - im Magazin „Lebe" veröffentlicht wurden, die LSB-Ausbildung auf Niveau 6 im Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) angesiedelt sehen, das entspricht einem 180 ECTS Bachelorstudium. Ein ECTS-Punkt steht für eine Workload, also für eine Zeitinvestition, von 25 Stunden. Ein akademisches Bachelorstudium kann natürlich nur von akademischen Einrichtungen, sprich Universitäten, angeboten werden und umfasst einen Workload von ca. 4.500 Stunden, also selbst, wenn man das Praktikum einrechnet, mindestens eine Verdreifachung der Ausbildungszeit und damit der Ausbildungskosten.
Was ist der Nutzen einer Einstufung in Stufe 6?
Im Interview im Magazin "Lebe" vermischt Herr Herz mehrere unterschiedliche Bereiche. Er vermittelt darin fälschlicherweise die Idee, dass mit einer Einstufung auf Niveau 6 das Führen eines Titels möglich wäre. Dem ist explizit nicht so, wie man den Richtlinien zum NQR entnehmen kann. Weder begründet eine solche Einstufung das führen des Attributes "staatlich geprüft" noch das Führen eines Titels names "Experts" oder "Professionals". Die Frage, welchen Zweck solche Titel überhaupt machen, möchte ich hier einmal ausser acht lassen.
Offenbar glaubt Herr Herz, dass das Image einer Branche besser wird, je höher die Einstufung ist. Das ist ein Irrglaube, das Niveau legt lediglich fest, wieviel Aufwand nötig ist, um den akademischen Abschluß zu erreichen bzw. den Beruf auszuüben. Ob ein guter Tischlermeister nicht möglicherweise ein besseres Image hat als ein schechter Akademiker mit Doktorat ist fraglich, trotzdem rangiert ersterer auf Stufe 6, letzerer auf Stufe 8. Je höher die Einstufung, desto "elitärer", länger und teurer ist die Ausbildung. Die Kosten-/Nutzenrechnung für die LSB ist durchwegs zu diskutieren, genau das wird aber nicht gemacht.
Was ist das "Schweizer Modell"
In der Schweiz gibt es tatsächlich den Beruf „Beraterin bzw. Berater im psychosozialen Bereich mit eidgenössischem Diplom". Dieser findet sich auch auf der Stufe 6 des NQR. Was hat es damit auf sich?
Die Zugangskriterien sind:
- 6 - 8-jährige einschlägige Praxis vor Antritt der Ausbildung
- Ausbildungsmodule und Vorbereitungskurse um rund € 20.000,00
- Staatliche Prüfung um weitere € 3.000,00
Quellen:
https://www.sgfb.ch/de/hoehere-fachpruefung-hfp/fragen-und-antworten
https://www.medrelax.ch/lehrgaenge/beraterin-im-psychosozialen-bereich-mit-eidgenoessischem-diplom/
https://www.berufsberatung.ch/dyn/show/2886?id=30281
Warum das "Schweizer Modell" nicht auf Österreich umlegbar ist
In der Schweiz (wie auch in Deutschland) ist die Dichte an PsychotherapeutInnen gering. Dort muss für eine volle Psychotherapieausbildung das Medizin- oder Psychologiestudium abgeschlossen werden und zusätzlich eine entsprechend aufwändige Aufbauausbildung für Psychotherapie absolviert werden. Der Weg ist also lang und teuer (im NQR ist die klinische- und Gesundheitspsychologie auf Rang 8 des NQR einem Doktorat gleichgestellt). In Deutschland gibt es daher den Beruf des "Heilpraktikers in Psychotherapie", dafür ist keine Ausbildung, sondern nur eine Prüfung beim Gesundheitsamt nötig. Hier werden keine Beratungskompetenzen geprüft, sondern nur Wissen. Die Ausbildung in Psychotherapie ist also weder im Bereich Kosten noch Ausbildungdauer mit der Beratungsausbildung vergleichbar.
In Österreich liegt die Sache anderes. Psychotherapie setzt über den "Genieparagraphen" nicht einmal eine Matura voraus. Die von den entsprechenden Stellen im Gesundheitsministerium geplante Akademisierung drängt schon jetzt Ausbildungseinrichtungen an Universitäten und die meisten Ausbildungen in PT schliessen heute schon mit Mastertiteln (allerdings sogenannten "Weiterbildungsmastern") ab (im NQR vermutlich Stufe 6, da kein Bachelorstudium nötig ist). Der Ruf der PsychotherapeutInnen ist aber leider deutlich besser als jener der Lebens- und Sozialberaterinnen. Wir werden uns mit den Ursachen dafür noch befassen. Wenn nun in Österreich zwei Ausbildungswege (LSB und PT) ansatzweise gleich teuer sind, aber PT einen besseren Ruf hat und mehr Berufsmöglichkeiten eröffnet (vor allem im Gesundheitssystem), gibt es wohl nur sehr wenige Gründe unter den neuen Voraussetzungen den Beruf der Lebens- und Sozialberatung anzustreben. Fazit: Die neue Regelung macht den Beruf "Lebens- und SozialberaterIn" obsolet.
Was bedeutet die geplante Änderung?
Es ist wichtig zu verstehen, dass es NICHT um eine moderate Verlängerung der Ausbildung in bestehenden Strukturen geht!
Für Ausbildungsinstitute
Wenn LSB akademisiert wird, bedeutet das das Ende aller privaten Ausbildunginstitute. Übrig bleiben einige akademische Einrichtungen, die schon jetzt zu den privaten Instituten in Konkurrenz stehen. Ob diese tatsächlcih bessere Ausbildungsqualität bieten, darf bezweifelt werden.
Auch, wenn es nicht zu einer "direkten" Akademisierung kommt, bedeutet das "Schweizer System" eine dramatische Verlängerung und Verteuerung für die KundInnen. Zusätzliche Zugangsbeschränkungen verringern den KundInnenkreis weiter. Schlußendlich bleiben Vorbereitungskurse auf die "staatliche Prüfung", die vermutlich von der Kammer nahestehenden Funktionären abgehalten werden. Das bringt ähnliche Probleme wie es jetzt bei zahlreichen Lehrabschlußprüfungen Gang und Gäbe ist. Einzige Gewinner sind die prüfenden Funktionäre. Wie Wissensdienstleistungen qualitativ von Kammerfunktionären geprüft werden soll, bleibt ebenso fraglich. Allerdings werden wohl sehr wenige diesen Weg überhaupt beschreiten, sondern stattdessen den nun wesentlich attraktiveren Weg der PT wählen.
Für Trainerinnen und Trainern in LSB-Ausbildungen
Viele LSB arbeiten heute auch in privaten Ausbildungseinrichtungen. Diese Personen verlieren ihre Aufträge.
Für bestehende LSB
Im Artikel beruhigt Herr Herz die bestehenden LSBs, dass sie ihren Beruf normal weiter ausführen können. Das ist nur insofern richtig als eine Ausbildungsänderung nicht in bestehende Kompetenzen eingreifen darf. Schon mit dem Psychotherapiegesetz wurde aber deutlich, dass es zu einer Segmentierung der Branche in "alte" und "neue" Psychotherapeuten kam und viele Bereiche, die neu verhandelt wurden, natürlich nur "neuen" Psychotherapeuten offen standen. Die Hoffnung, dass angestellte LSB zukünftig besser entlohnt werden, ist eine Illusion, wie der Blick auf viele andere Berufsgruppen (z.B.: KindergartenpädagogInnen), wo die Forderungen nach längeren (akademischen) Ausbildungen weder eine Verbesserung in der öffentlichen Wahrnehmung noch in der Entlohnung brachte. Der Hauptauftraggeber für Leistungen von angestellten LSB ist direkt oder indirekt der Staat, und diese Bereiche sind unterfinanziert. Zahlreiche Organisationen in diesem Bereich können davon ein Lied singen. Zahlreiche dort tätige LSB kennen auch diese SItuation. Herr Herz offenbar nicht. Er bezieht sein Geld ja auch als Kammerfunktionär.
Für die Gesellschaft
LSB leisten einen extrem wertvollen Beitrag für die Gesellschaft. Sowohl im Angestelltenbereich als auch in der Selbständigkeit sind zahlreiche Kolleginnen und Kollegen erfolgreich tätig. Ein Ende dieses Berufsbildes wird dazu führen, dass zahlreiche Menschen nicht mehr die Begleitung erhalten, die für sie nötig ist. Schon jetzt weist dieser Bereich zahlreiche Probleme auf. Es gibt faktisch keine Finanzierung von präventiven Leistungen. LSB wird in der Gesellschaft nicht (ausreichend) wahrgenommen. Jene Menschen, die die Unterstützung am meisten brauchen, können sie sich oft nicht leisten. LSB bieten oft ein sehr niederschwelliges Angebot und ja, sie verdienen leider auch wenig. Das ermöglicht es allerdings auch, dass Leistungen für Menschen erschwinglich werden, die sonst nur von der Kranken- Entschuldigung....Gesundheitskasse finanzierten Weg der Pathologisierung (und damit schon sehr spät) in Psychotherapie oder Psychiatrie Hilfe finden.
Welches Problem löst die neue Ausbildungsverordnung?
Zusammenfassend: keines.
Die Hypothese, durch eine Verlängerung und Verteuerung das Image zu heben, würde nur funktionieren, wenn parallel dazu ein professionelles Marketing die Bevölkerung von diesen Leistungen informiert. Das wäre allerdings auch jetzt schon möglich, wurde nur von der Kammer seit vielen Jahren nicht gemacht. Noch immer ist vielen Menschen unbekannt, dass es LSB überhaupt gibt und welche wichtigen Leistungen wir anbieten. Nicht irgendein Titel, oder die mangelnde Ausbildungsqualität ist das Problem. Es ist jener Herr, der diesen Berufsstand nach aussen vertritt und für ein überregionales Marketing bzw. PR verantwortlich wäre. Jener Herr, der nun - wie hier ausgeführt - den Beruf allgemein bedroht.
Was ist zu tun?
Der wichtigste und dringlichste Punkt ist die Verhinderung des Beschlußes der neuen Ausbildungsverordnung!
Dazu ist es nötig, die politischen Stellen, vor allem die zuständige Wirtschaftsministerin darüber zu informieren, dass diese Verordnung keineswegs irrelevant ist und auch nicht der Wille der Branchenmitglieder, sondern ein Alleingang einiger weniger Kammerfunktionäre ist, der eben NICHT Ergebnis eines breiten Diskurses ist.
Wir brauchen also politische Kontakte!
Ich schlage dementsprechend folgende Schritte vor:
1. Vernetzung der Ausbildungsinstitute
2. Mobilisierung der Kammermitglieder (unserer KundInnen), um die Kammer zu einer Kommunikationskultur zu nötigen, wie sie für unsere Branche selbstverständlich sein sollte.
3. Breite Diskussion einer neuen Ausbildungsverordnung, BEVOR sie beschlossen wird.
4. In weiterer Folge Planung von Maßnahmen, um das Image unserer Branche effektiv zu verbessern, sprich eine sinnvollere Nutzung der Kammerbeiträge
add 2.) Bitte unterstütze die Petition
Wie geht es dann weiter?
Wenn dies nicht gelingt, sind die Folgen für die Branche katastrophal.
Sollte es uns gelingen das zu verhindern, plädiere ich dafür, in unserer Branche eine breite Bewegung zu schaffen unsere Leistungen in der Öffentlichkeit besser zu präsentieren.
Die Schaffung einer Interessensvertretung ausserhalb von (ineffizienten) Kammerstrukturen, die auch Ausbildungsinstitute, im Angestelltenverhältnis tätige sowie AusbildungskandidatInnen umfasst. Solche Strukturen haben die SupervisorInnen, PsychologInnen und PsychotherapeutInnen längst und sie sind sehr effektiv.
Weiterentwicklung der Branche in Ausbildung, Qualitätsstandards, aber im gemeinsamen Dialog und nicht authoritär.